Ein kleiner Raum im Keller eines Reihenhauses im Augsburger Stadtteil Stadtbergen ist die Werkstatt von Hannelore Marschall. Über 5000 Marionettenpuppen sind hier in 45 Jahren unter den Händen der 71-jährigen entstanden. Ihr Handwerk hat sie vom Vater gelernt, dem Gründer der Augsburger Puppenkiste.
Der Film beginnt mit der Probe zu einem Märchen der Gebrüder Grimm. Während auf der Bühne im Theater am Roten Tor, Rumpelstilzchen die Königstochter in Angst und Schrecken versetzt, repariert die Puppenmutter hinter der Bühne die morschen Gelenke des Schneewittchens für seinen nächsten Auftritt. Dann sitzt sie im leeren Zuschauerraum und beobachtet ihre ‚Kinder’ auf der Bühne. Für viele Monate hatte sie in diese Figuren ihre ganze Arbeitskraft gesteckt – jetzt endlich haben sie Laufen gelernt.
“Eine Figur beginnt immer im Kopf (…) man muss sich klar sein, welchen Charakter, welche Mimik die Puppe ausdrücken soll”, erklärt die Meisterin der Marionetten. Auch beim Rumpelstilzchen, dessen Weg von einem Stück Lindenholz zum Gold spinnenden Kobold der Film begleiten will, beginnt sie mit dem Kopf. Ein Kantholz, Jahre muss es getrocknet sein, spannt sie in ihre Werkbank. Mit Säge und verschiedenen Stemmeisen arbeitet sie die grobe Form des Kopfes heraus. Dann werden allmählich Gesichtszüge erkennbar. Viele Stunden sind seit dem ersten Schlag ins Holz vergangen, Hände und Füße hat sie geschnitzt, immer lebendiger scheint der Kobold dreinzublicken. Hat er menschliche Züge? „Man beobachtet, studiert Gesichter, z.B. in der Straßenbahn . . . irgendwo erkennt sich dann einer wieder, vielleicht.“
Mit dem halbfertigen Kobold besucht Hannelore Marschall die Kostümbildnerin in den Werkstätten des Theaters. Beide machen einen Gang durch das Magazin der Tausend Puppen. Sie sind auf der Suche nach der Rumpelstilzchenfigur einer Inszenierung aus den 50-er Jahren. Doch der neue Kopf wird ein neues Gewand erhalten, auch das Marionettentheater ist einem Stilwandel unterworfen.
Eine hölzerne Rosette ist das Einzige was nach dem Angriff auf Augsburg vom alten Puppenschrein der Vorkriegszeit übriggeblieben ist. Im Museum neben dem Theater erzählt Hannelore Marschall von den Anfängen und ihren ersten Versuchen einen Kopf zu schnitzen.
Alle Einzelteile der Puppe sind fertig, Kopf und Hände bemalt, jetzt geht es ans Zusammensetzen. Mit Streifen aus Lederhosenleder formt sie die Gelenke, weich und geschmeidig sollen die Bewegungen später im Spiel sein. Am Einfädeltisch verbindet sie die einzelnen Gliedmaßen über 2 ½ Meter lange Fäden mit dem sog. Spielkreuz. Plötzlich fängt das Rumpelstilzchen zu tanzen an.
Hannelore Marschalls Söhne haben die Begabung der Mutter geerbt. Sie werden das Wissen um die Marionetten weitertragen.

  • Buch, Regie, Koproduktion Rüdiger Lorenz
  • Kamera Angela Witt
  • Kameraassistenz Florian Geierstanger
  • Ton Andreas Schmidt, Jürgen Boley
  • Schnitt Rüdiger Lorenz
  • Sprecher Joachim Höppner
  • Musik Koka Media
  • Mitarbeit Fari Djalali,  David Reich
  • Redaktionelle Mitarbeit Bernd Strobel
  • Konzept und Redaktion Tilman Steiner
  • Produktionsjahr 2002
  • Erstausstrahlung 22. Dezember 2002, 17:30 Uhr, Bayerisches Fernsehen